Interview mit Jutta Eggeling
Einrichtungsleiterin, Geschäftsführerin und Diplom-Sozialpädagogin
Frage
Der Vringstreff hatte nach dem „Mittagstisch to go“ das Restaurant im August 2020 wieder öffnen können und durfte auch während des zweiten Lockdowns offen bleiben. Wie war das möglich?
Jutta Eggeling
Wir sind für eine bestimmte Zielgruppe zuständig, nämlich Obdachlose.
Die können sich zu Hause nichts zu essen machen, weil sie entweder keine Unterkunft haben oder es von ihrer Lebenssituation her nicht schaffen würden, sich selbst mit warmem Essen zu versorgen.
Frage
Das war von den Bestimmungen her dann auch möglich.
Jutta Eggeling
Die Stadt hat die Verpflichtung, Obdachlosen ein Angebot zur Verfügung zu stellen und deshalb bekamen wir diese Ausnahmegenehmigung.
Frage
Die Obdachlosen gehören zu den Hauptbetroffenen der Maßnahmen. Viele Tafeln, Suppenküchen und andere Anlaufstellen waren und sind noch geschlossen.
Jutta Eggeling
Menschen mit dem Lebensmittelpunkt Straße sind auf zusätzliche Einnahmemöglichkeiten und Angebote angewiesen, z. B. durch den Verkauf der Obdachlosen-Zeitung. Durch die Lockdowns kam dann noch hinzu, dass die Menschen aus dem Veedel sich nicht mehr so viel im Freien bewegten und dort verweilten. Damit entfielen auch weitgehend die Spenden der Passant*innen oder die Möglichkeit Flaschen zu sammeln, was eine gute zusätzliche Einnahmequelle ist.
Frage
Wie sind die Obdachlosen denn damit zurecht gekommen?
Jutta Eggeling
Sie mussten sich ihr Essen an Frittenbuden, Burger-Restaurants u. a. kaufen, wo das zur Mitnahme noch möglich war. Doch das Leben auf der Straße ist teurer als zu Hause, weil alles fertig gekauft werden muss und die Kosten für die Zubereitung wird mitbezahlt.
Frage
Der Vringstreff bietet ein volles Mittagessen für 2,40 € an. Das ist kaum zu unterbieten.
Jutta Eggeling
Ja, und unser Essen wird frisch gekocht, ist gesund und preiswert. Das gibt es im Lobby-Restaurant des Kölner Arbeitslosenzentrums in der Domstraße noch, aber sonst nirgendwo. Beide Stellen haben das Konzept mit Essen am Tisch und Bedienung. Es geht um Respekt und Würde und darum, den Menschen auf Augenhöhe zu begegnen.
Frage
War es schwierig, die Wiedereröffnung (unter den oben beschriebenen Maßnahmen) durchzusetzen.
Jutta Eggeling
Gar nicht. Wir haben bei der Stadt und dem Gesundheitsamt offene Türen eingerannt, weil sie Interesse daran haben, dass die Menschen auf der Straße versorgt sind. Wenn man schon einen „Fahrplan“ hat, ist das gut. Am Anfang mussten wir herausfinden, was möglich ist.
Frage
Wie ist das mit der Corona-Rückverfolgung bei Obdachlosen?
Jutta Eggeling
Die ist nur eingeschränkt möglich, wenn einer keine Adresse hat. Aber die meisten haben eine Handy-Nummer. Wir können die Menschen im Notfall kontaktieren. Zu 99 % schätze ich.
Frage
Wie haben die Obdachlosen auf die strengen Vorschriften reagiert?
Jutta Eggeling
Es gab kaum Widerstände gegen die Hygienemaßnahmen, und Auflagen. Die Menschen waren froh, dass sie hier wieder essen konnten. Es gibt eine große Akzeptanz.
Das Interview führte Helga Fitzner am 4. März 2021