"Todschick und hautnah"
am 30.06.2013

Über Textilverarbeitung, Gift und Billigwahn

Bangladesch ist weit weg. Doch manchmal tragen wir – oft ohne es zu wissen – Bangladesch auf unserer Haut, weil unsere Kleidung dort hergestellt wurde. Als am Morgen des 24. April 2013 ein neunstöckiges Gebäude in der Nähe der Hauptstadt Dhaka einstürzte, kamen dort 1127 Menschen ums Leben und 2438 wurden verletzt. Das Rana Plaza in Sabhar beherbergte fünf Textilfabriken, in denen vorwiegend Frauen für Niedriglöhne arbeiteten.

China ist nach wie vor die wichtigste Produktionsstätte von Textilien. Doch wegen des Wirtschaftsbooms in China produzieren seit Anfang 2000 viele westliche Textilfirmen in Bangladesch, Indonesien, Vietnam, Kambodscha und anderen Ländern mit verarmter Bevölkerung. In Bangladesch kam es wegen der Arbeitsbedingungen immer wieder zu Protesten, aber erst seit der Katastrophe in Sabhar wurden ernsthaft Änderungen vorgenommen. Achtzehn marode Fabriken wurden geschlossen, weitere werden überprüft, der gesetzliche Mindestlohn von 3000 Taka (knapp 34 Euro) pro Monat soll erhöht und Gewerkschaften sollen uneingeschränkt zugelassen werden.

Im September 2012 hatten Tchibo und der US-amerikanische Bekleidungs-fabrikant PvH mit den zuständigen Behörden in Bangladesch ein Brand- und Gebäudeschutzabkommen ins Leben gerufen, weil es vorher schon immer wieder zu Bränden und Einstürzen in baufälligen Gebäuden gekommen war. Zu den Unterzeichnern gehören jetzt auch KiK, H&M, C&A, Aldi, Lidl, Rewe, Metro/Kaufhof, Inditex/Zara und viele andere internationale Textilunter-nehmen. Den Tausenden von betroffenen Familien in Sabhar nützt das nichts mehr. Die Überlebenden haben teilweise Gliedmaßen verloren und sind so schwer verletzt, dass sie auf Dauer auch zum Überleben nichts mehr beisteuern können. Das Leben dieser Familien hängt, mehr denn je, am seidenen Faden.

Die mangelnde Gebäudesicherheit ist aber nicht die einzige Gefahr, denen die Arbeiterinnen und Arbeiter in der Textilbranche der Billiglohnländer ausgesetzt sind. Schon einige der Rohstoffe sind giftig. So liegt der Anteil an Biobaum-wolle weltweit bei unter 1 %. Die andere Baumwolle muss über 20 mal mit Insektiziden und Herbiziden behandelt werden. Dabei kommen oft Chemikalien zum Einsatz, die in den westlichen Industrienationen längst verboten sind, aber auf diese Weise wieder mit der Kleidung re-importiert werden. Im Greenpeace-Report „Giftige Garne“ vom November 2012 wurden in chinesischen Textilhochburgen Untersuchungen durchgeführt, bei denen in den Färbemitteln Stoffe nachgewiesen wurden, die als krebserregend eingestuft wurden oder andere Krankheiten verursachen können. Die Rate an Fehl- und Missgeburten in diesen Gegenden ist deutlich höher als in nicht belasteten Gebieten. Baumwolle benötigt sehr viel Wasser, was neben der Umweltvergiftung auch zur Austrocknung und Erosion vorher guter Böden führt.

Der größte Anteil der Baumwolle ist genverändert. Da diese Baumwolle hybrid ist, sich also nicht selbst vermehren kann, müssen die Bauern immer wieder neues Saatgut kaufen. Der weltweit größte Hersteller von genverändertem Saatgut ist Monsanto. (Es gab kürzlich auch einen Themengottesdienst bei uns dazu). Die Ausbeutung, ja künstliche Versklavung, dieser Menschen ist systematisch, willkürlich und nimmt Gesundheitsschäden, manchmal auch ihren Tod, billigend in Kauf. – Das Geschilderte ist nur die Spitze des Eisberges. Es gibt noch viele weitere Aspekte.
Alternativen zum konventionellen Baumwollanbau

Text: Helga Fitzner
Fotos mit freundlicher Genehmigung des Fotografen
GMB Akash

Hinweise und Links

Die „Kampagne für saubere Kleidung“ ist der deutsche Ableger der internationalen CCC „Clean Clothes Campaign“ und hier in Deutschland der Zusammenschluss von 20 verschiedenen Trägerorganisationen, darunter mehrere evangelische. Das Anliegen besteht in Aufklärung durch Protest- und Mitmachaktionen, Petitionen und weiteren kreativen Ideen.
http://www.sauberekleidung.de/

Fairtrade bezeichnet sich als „Strategie zur Armutsbekämpfung durch gerechtere Handelsbeziehungen“, darunter die Eindämmung von Kinderarbeit, und hat eines der weltweit bekanntesten Gütesiegel für Produkte geschaffen. Besonders bekannt sind die Fairtrade-Nahrungsmittel, die es schon in vielen Supermärkten gibt.
http://www.fairtrade-deutschland.de

Fair gehandelte und nach ökologischen Gesichtspunkten angebaute Kleidung gibt es bei grundstoff.net:
Versand von Kleidung aus fairem Handel zu günstigen Preisen

Fair gehandelte Kleidung ist oft billiger als Markenprodukte. Während Billigproduzenten, wie KiK, die Kleidung auch billig verkaufen, verlangen Markenproduzenten horrende Preise für billig hergestellte Ware. Die Bilanzen dieser Firmen zeigen, dass es genug Menschen gibt, die den Markenkonsum mitmachen. Billigläden wiederum funktionieren, weil viele Kunden die Kleidung gar nicht vorhaben, lange zu tragen. Damit nehmen sie auch Müllberge von umweltschädlichen Kleiderabfällen in Kauf.

Alles richtig machen, kann man irgendwie gar nicht. Zöge man die Textilfabriken aus Bangladesch ab, verstärkte das die Armut im Lande. Würde man häufiger in Deutschland herstellen, wären die Produkte zu teuer. Die deutsche Politik kann in Bangladesch vielleicht nicht viel ausrichten, aber sie ist insofern gefragt, dass die zunehmende soziale Armut in Deutschland nicht sein muss. Realistische Mindestlöhne, die Einschränkung von Niedriglöhnen und Leiharbeit in Deutschland wären dringend vonnöten. Ob die Schnäppchenjagd auf Kosten anderer dann ein Ende hätte..?

Auch sind die schon 2011 verabschiedeten UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte noch nicht umgesetzt. Die Transparenzrichtlinie der EU wird auch immer wieder ausgebremst. Unternehmen sollen ihr zufolge regelmäßig über die Auswirkungen ihrer Tätigkeiten auf Mensch und Umwelt berichten, was für die gesamte Lieferkette gelten soll.

Text: Helga Fitzner