Frage
Was gab denn den Anstoß, sich für Obdachlose einzusetzen?
Hans Mörtter
Das kam durch das Theologiestudium. Das fragt ja immer nach dem Menschen, nach dem Sinn und dem Wert, nach Würde und Gerechtigkeit, hebräisch sedaqa („sedaqa“ beschreibt die gottgewollte Ordnung, in der Gemeinschaftstreue herrscht). Das ist durch einen Kern von fünfzehn Leuten, mit denen wir zusammen gekocht und gegessen haben, entstanden. Die sind selber einkaufen gegangen und haben vieles selbst organisiert. Dadurch ist ein starkes Miteinander entstanden. Ich habe viel von den Berbern verstanden, was ich vorher nicht gewusst hatte, auch alle diese breiten und unterschiedlichen Lebensgeschichten. Das sind auch die unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten, in den Menschen scheitern und dann auf der Straße landen. Das hat nicht immer damit zu tun, dass man keinen Schulabschluss hat. Es mischt sich wirklich bunt. Die Botschaft lautet: ‚Jeden kann es treffen, je nach Schicksalsschlägen oder Überforderungen, die erlebt worden sind’. Die sind entgleist und haben es danach nicht mehr zurück geschafft. Durch diese Treffen entstand bei mir damals eine Achtung vor diesen Leuten und auch eine Neugier, wer die denn sind. Wie leben die, was denken die, was fühlen die? Das wurden dann unsere Partner und Partnerinnen und das war spannend. Von denen habe ich auch gelernt: ‚Egal wie schlimm man dran ist, irgendwo in uns gibt es noch Würde. Das ist das Letzte, was wir haben. Und wir sehnen uns danach, die leben zu können.’ So entstand dann der Gedanke mit dem Haus.
Frage
Sind alle Obdachlose als Gäste für das Hotel geeignet?
Hans Mörtter
Da muss man unterscheiden. Es gibt Obdachlose, die so schwer krank sind, meistens Alkoholiker mit Folgeerkrankungen, für die es Häuser gibt, in denen sie versorgt werden. Wir haben da tolle Sozialarbeiter*innen, die sich um die kümmern. Die sind so schlimm dran, dass man sie nur noch liebevoll bis zum Ende begleiten kann. Man kann sie nur spüren lassen: ‚Ich habe eine Adresse, ich habe ein Zuhause, ich bin nicht ganz aufgeschmissen, ich bin nicht ganz allein gelassen.’ Doch auch bei denen blitzt die Menschenwürde immer wieder auf. - Aber das Siebensternehotel soll für die sein, die noch nicht ganz so tief unten angekommen sind und zwischendurch noch wache Zustände haben, für die soll dieses Haus sein. Wir brauchen Leute, die noch ein bisschen was tun können, die sich noch einbringen können oder die sich wieder neu entdecken. - Das heißt nicht, dass die vom Alkohol lassen. Wir haben keinen pädagogischen Anspruch, dass die jetzt trocken werden müssen und dass wir hier eine Filiale von den Anonymen Alkoholikern aufmachen. Nein. Das liegt an den Leuten selbst, ob sie diese Kurve kriegen oder nicht.
Frage
Sind alle Alkoholiker?
Hans Mörtter
Nicht alle, aber die meisten schon.
Frage
Wie wurde denn diese Idee mit dem Hotel wieder akut?
Hans Mörtter
Diese Idee ist immer mit mir gewandert und ich erzähle viel davon, in der Hoffnung, Verbündete dafür zu bekommen und zack: Irgendwann taucht der Ralf Richter auf, der als Schauspieler aus einer ganz anderen Ecke kommt und meistens der Filmbösewicht ist. Der ist unkonventionell und nicht angepasst, eher der Proletentyp. Der sagt dann einfach: ‚Ey Hans, die Idee ist so irre, das machen wir jetzt so.’ Der Ralf hätte am liebsten schon im Dezember 2012 das Haus parat gehabt. Aber das ist ein Prozess, für den man noch mehr braucht, als den Schauspieler, den Pfarrer und den Künstler. Der Künstler ist Cornel Wachter, der ist auch dabei, und macht hier in Köln tolle Netzwerkarbeit. Wir drei sind also ein Team, die alle ganz Unterschiedliches mitbringen.
Frage
Alle drei ausgewiesene Jecken, wie wir in Köln sagen?
Hans Mörtter
Ja, das kann man so sagen. Ein bisschen gaga sind wir schon alle drei. Die Grundidee ist es, ein Haus einzurichten oder eine Immobilie zu sanieren und sie künstlerisch und werthaltig zu gestalten, mit Holzboden und richtigen Holzmöbeln. Alles echt. So wie wir Menschen eben auch echt sein sollten. Wenn ein Haus so werthaltig eingerichtet ist, halten die Sachen auch ewig. Da ist der Schrank eben nicht nach zwei Jahren kaputt, weil er aus Sperrholz war. Die Leute, die darin wohnen und ihr Einzelzimmer haben, eine eigene Dusche und eine Gemeinschaftsküche, wo sie zusammen kochen können, die erleben auf einmal, dass sie etwas wert sind, und es verdienen, schön zu wohnen, inmitten von schönen Möbeln und vielleicht Kristallleuchtern, was auch immer wir bekommen. Ich hoffe ja, dass es Geschäfte gibt, die sagen, wir stellen euch ein Kontingent von schönen Einrichtungsgegenständen zur Verfügung. Echtes Holz für die Böden und was wir noch alles so brauchen.
Frage
Die Böden werden aber versiegelt.
Hans Mörtter
Nein.
Frage
Und wenn da ein feuchtes Missgeschick passiert?
Hans Mörtter
Das passiert nicht. Das ist ja die Erfahrung aus dem Vringstreff. Selbst schwerste Alkoholiker versuchen trocken zu sein, wenn sie sich dort aufhalten. Das ist auch eine überschaubare Zeit von halb zwölf morgens bis 14.00 Uhr nachmittags. Danach saufen die wieder. Aber am nächsten Tag um halb zwölf können sie wieder wahrnehmen und dann nehmen sie sich wahr in einem schönen Raum. Einer von den Gästen sagte auch einmal: ‚So etwas Schönes nur für uns.’ Die kennen es nicht, dass sie es wert sind, dass es für sie schöne Räume gibt, Räume, die nicht nur funktional eingerichtet sind, sondern wo alles darauf ausgerichtet ist, dass man sich darin wohlfühlt. Hier bist du Mensch und du bist das wert.
Frage
Wie setzen sich denn die Sieben Sterne zusammen?
Hans Mörtter
Die Sieben Sterne sind ein Kunsttitel. Ich dachte zuerst, dass es kein Siebensternehotel gibt. Jetzt soll es sogar ein Achtsternehotel geben. - Ähnliche Hotels für Obdachlose gibt es bereits in Moskau und in Berlin. In New York ist gerade eins im Entstehen. Das sind Projekte der befreundeten Künstlerin Miriam Kilali. Die nennt ihre Hotels Reichtum 1, 2 und 3. Das will sie in Tokio, Rom und anderen Städten fortsetzen. Wir gehören dann auch in diesen Kontext, nur dass wir uns Sieben Sterne Hotel nennen. Wir wollen uns nicht Reichtum 4 nennen, weil wir etwas anders geartet sind, allein, weil wir alles selber machen. Wir haben keinen Träger, der das übernimmt. Der Träger wird ein Verein sein, den wir selber gründen, den Sieben Sterne Hotel e. V.
Frage
Den Verein gibt es aber noch nicht.
Hans Mörtter
Fast. Die Satzung steht. Ich bin aber immer noch auf der Suche nach einem tatkräftigen Vereinsvorstand, der das in den ersten Jahren richtig aufbaut und so begleitet, dass es funktioniert.
Frage
Wenn jetzt erst noch eine Immobilie gefunden werden muss, die dann grundsaniert wird, wird das Ganze aber noch sehr lange dauern.
Hans Mörtter
Das wird dann schon ziemlich fix gehen, aber es wird so zwei Jahre lang richtig Arbeit sein. Ich habe nicht so viel Zeit und kann es mir nicht leisten, das auch noch zu machen. Ich begleite das dann ideell und geistig und mit gutem Spirit und Segen, Vernetzung und Öffentlichkeitsarbeit. Ich habe mich auch schon mit jemandem getroffen, der Manager ist und Interesse daran hat, als Vereinsvorsitzender einzutreten. Zwei Ärzte, die relativ früh in den Ruhestand gegangen sind, die selbstständig und erfolgreich waren, sind auch daran interessiert, einmal etwas ganz anderes zu tun, was auch sinnvoll und erfüllend ist. Es soll ja auch Spaß machen und sich lohnen, da Energie hereinzustecken. So werden wir unseren Vorstand zusammen bekommen, der nicht nur ein Ehrenvorstand ist, sondern der auch mit anpackt.
Frage
Müssen die jetzt Pinsel schwingen?
Hans Mörtter
Nein. Die müssen den Überblick haben und die Sache dirigieren und verantworten, damit das vernünftig läuft und keine Pannen passieren. Ich brauche Leute, die sich die Verantwortung auf die Schulter heften und die Zugmaschine dafür sind. Dann ziehen die automatisch andere mit und irgendwann läuft das Projekt weitgehend selbständig, so dass der Vereinsvorstand nur noch wenig machen muss.
Frage
Wird es denn auch soziale Betreuung für die Gäste geben?
Hans Mörtter
Wir planen, dass da zwei, drei Sozialarbeiter mitwirken, die koordinierende und begleitende Aufgaben haben, die auch sehen, wo jemand vielleicht mit entsprechender Förderung noch in einen Job hereinzubekommen ist.