Weltweit befinden sich rund 60 Millionen Menschen auf der Flucht, die meisten davon innerhalb ihrer eigenen Landesgrenzen oder in benachbarten Entwicklungsländern. Die Suche nach Schutz und Unterkunft ist ein zentrales Thema für sie und ihre Umgebung. In der nahenden Weihnachtszeit werden wir wieder an zwei ehemalige Herbergssuchende erinnert, Josef und Maria, die Jesus in einem Stall zur Welt brachte und ihm in der Futterkrippe einen Schlafplatz aus Stroh herrichtete. - Heimat ist eines der bedeutenden Themen der Künstlerin Christiane Rath, die ihr jüngstes Projekt, wie folgt, darstellt. (Helga Fitzner)
„Ein Menschennest – es steht für die Sehnsucht nach Geborgenheit und Schutz, ausruhen und versorgt werden, klein sein dürfen und für nichts verantwortlich.
Das Nest, inspiriert durch das Ausstellungsprojekt Gimme shelter im Hochbunker Ehrenfeld (Sommer 2015), hatte seine erste Station als Traumbild unter Tage am Breslauer Platz, ein Kontrapunkt zu der kühl und unmenschlich anmutenden Architektur der neuen U-Bahn-Station.
Von dort wanderte es in die Kälte und bedrückende Geschichtlichkeit des Hochbunkers Ehrenfeld, für viele heute noch ein Angstraum, und setzte dort den in Beton gegossenen Funktionsräumen seine Geborgenheit, aber auch seine Zartheit als Angebot entgegen.
Nun findet es in seiner dritten Station „Kirchenasyl“ ab dem 22. November 2015.
Diesmal wird es im Atrium der Lutherkirche in der Südstadt errichtet, einem Ort, der selbst ein Schutzraum ist. Dort wird es voraussichtlich eine völlig neue Wirkung entfalten und sicherlich auch konkret mit der Flüchtlingsthematik in Verbindung gebracht werden.
Es ist geplant, am Ende des Jahres das Nest in einer Gemeinschaftsaktion neben der Kirche zu verbrennen.“
Christiane Rath – Installationen und Fotografie
Seit 2006 bespiele ich für mein Projekt „urban-urbar“ den öffentlichen Raum, indem ich an markanten Orten in Köln und anderen Städten temporär private, zum Teil intime Räume schaffe. Ich inszeniere verborgene Winkel ebenso wie belebte Plätze als Bühnen, auf denen Situationen individuellen Wohnens den Blicken der zufälligen Betrachter ausgesetzt werden.
Der urbane Raum verwandelt sich in Wohn-, Ess- oder Schlafzimmer, um die Möglichkeiten des Ortes auszuloten, seine tieferen Schichten fühlbar zu machen und ein Bewusstsein für die Metamorphosen zu schaffen, denen jeder Quadratzentimeter um uns herum ständig unterliegt.
Wer ein solches inszeniertes Bild einmal an einem städtischen Ort gesehen hat, wird diese Veränderung in seiner persönlichen Erinnerung speichern und immer wieder mit diesem Ort in Verbindung bringen.
Texte und Fotos: Christiane Rath und Helga Fitzner
www.rath-art.de
Hans Mörtter und Christiane Rath stellen das Kunstprojekt "Menschennest" vor
Foto: Helga Fitzner
Christiane Rath und ihr Menschennest, Foto: Helga Fitzner
Das Ei ist kaputt. Was mag da wohl geschlüpft sein? Foto: Christiane Rath
Am Heiligen Abend 2015 wurden die Zweige im Hirtenfeuer im Atrium der Lutherkirche feierlich verbrannt, Foto: Christiane Rath