"kunst im turm" der Lutherkirche
"Synopsie"

Audiovisuelle Komposition von Sven Hahne

Dieses Projekt ist eine installative Auskopplung meiner Arbeit an "audiovisuellen Instrumenten", d. h. der Analyse von akustischem Material nach musikalischen Parametern und deren Transformation in dreidimensionale Computergrafiken. Hierbei geht es vor allem darum, dem Spieler ein unmittelbar grafisches Gegenstück zu seinem Spiel zu geben, und damit die Möglichkeit, einen Gestus zu entwickeln, der sich in Bild und Ton gleichzeitig ausdrücken kann.

Synopsie ist eine audiovisuelle Komposition, die speziell für den Turm der Kölner Lutherkirche geschrieben wurde, der sich durch 6 Projektionen und 16 Lautsprecher in ein zusammenhängendes audiovisuelles Instrument verwandelt. Direkt vor Ort aufgenommene Fotos und Tonaufnahmen dienten als künstlerisches Rohmaterial.

Inspiriert wurde meine Arbeit von den ersten Computergrafiken der 60er und 70er Jahre wie Hebert W. Franke, Max Bense oder Georg Nees, sowie von den Animationsarbeiten von Oskar Fischinger und John Whitney. Mir geht es hier vor allem um eine Suche nach der „Materialität“ der Computergrafik.

Genauso wie ein mit Kohle gezeichneter Strich auf einem Stück Papier eine ganz bestimmte Struktur hinterlässt, die sich der Zeichner unmöglich in jeder Fassette  hätte überlegen können, die aber gerade die Anmutung und die Tiefe des bildlichen Ergebnisses ausmacht, so suche ich nach Formen und Strukturen, die sich ebenso unmittelbar erzeugen lassen, eine ebenso interessante Strukturen hervorrufen und eben nur mit dem Computer zu realisieren sind.

Die Anmutung der zunächst sehr rohen digitalen Ästhetik meiner Bilder verändert sich durch das Kaskadieren von einfachen Zeichnungsprozessen. Steht die Formel zu Berechnung einer Linie, macht es keinen Unterschied, sie einmal oder tausendfach auszuführen und gerade hierbei passiert eine interessante Verschiebung vom Digitalen zum Organischen. Das ästhetische Ziel meiner Arbeit liegt in einem Zwischenbereich, der nicht genau erkennen lässt, ob das Objekt aus einer realen oder generierten Welt stammt.

Ein weiterer ästhetischer Gedanke, meiner „audiovisuellen Instrumente“ ist der „digitale Schmutz“. Bei den Berechnungen werden Teile der Ergebnisse zwischengespeichert und durch bewusst unsaubere Kopierprozesse innerhalb des Grafikspeichers „aufgeraut“. Zu den exakten Kanten und Linie kommen verschwommene Spuren aus den vergangenen Zyklen hinzu, durch Berechnungsunschärfen und deren Rückkopplungen entstehen seltsame Verschachtelungen, die ein undefinierbares Raumgefüge erzeugen.

Die direkte Kopplung der Grafik mit dem akustischen oder elektronischen Klang erzeugt eine Verstärkung des musikalischen Gestus. Der Betrachter kann das klangliche Geschehen auf einer weiteren Ebene warhnehmen und kompositorische Prozesse erkennen, die ihm sonst vielleicht verborgen blieben. Genauso kann er aber den Klang als eine Interpretation des Bildes verstehen, wie etwa bei den graphischen Kompositionen von John Cage und Earle Brown. Die Assoziationen können sich also in beide Richtungen vollziehen und so einen weiteren synästhetischen Blickwinkel hervorrufen. 

Text: Sven Hahne
Plakat: Hermann Vogel

Ausstellung vom 11. Juni bis 3. Juli 2011