Peter Clös
Sie haben 18 Jahre lang im Polit-Magazin „Monitor“ den Mächtigen auf den Zahn gefühlt. Was macht denn am Aufdecken von Wahrheiten, die von Mächtigen gar nicht aufgedeckt werden wollen, so viel „Spaß“?
Klaus Bednarz
Wenn Sie einen Müllmann fragen, der jeden Tag den Dreck von den Straßen räumt, ob ihm das Spaß macht, weiß ich auch nicht, ob ihm das ein großes Behagen bereitet. Aber wenn man sich als investigativer, als aufklärender Journalist versteht, der ein innenpolitisches Magazin machen soll, dann ist es sein verdammter Job, aufzuklären. In unserer Redaktion hing als unausgesprochenes Motto über unserer Arbeit: Den Mächtigen unbequem sein, denen, die im großen Konzert der öffentlichen Stimmen kaum eine Chance haben, sich Gehör zu verschaffen, wie Kranken, Kindern, und sozial Schwachen. Es war ein Versuch, möglichst viel von dem ans Tageslicht zu holen, was in der Politik, in der Wirtschaft, in der Gesellschaft, von den Kirchen und den Gewerkschaften unter den Teppich gekehrt werden sollte. Das ist in der Tat eine schon etwas kämpferische Grundkonstellation, weil man natürlich weiß, dass die Mächtigen mit allen Mitteln versuchen, genau das zu verhindern. Das war mein Job, und da wird schon mit sehr harten Bandagen gekämpft.
Peter Clös
Damit standen Sie aber im Spannungsfeld, einerseits der Stachel im Fleisch zu sein, aber auf der anderen Seite auch deren Unterstützung und Mithilfe zu brauchen, um an die Informationen heranzukommen.
Klaus Bednarz
Das ist ein in der Tat schwieriges Unterfangen. Auf der einen Seite müssen sie sich in die Nähe der Mächtigen begeben, wenn sie Informationen haben wollen, aber gleichzeitig Distanz halten und sich nicht vereinnahmen lassen. Die meisten Politiker haben Gesprächkreise mit Journalisten, sog. Hintergrundgespräche. Dort herrscht eine ganz klare Spielregel, die gekennzeichnet ist durch die Nummern 1, 2 und 3. Wenn ein Minister sagt, was ich jetzt sage, ist unter 1, dann heißt das, Sie können alles, was er sagt, sofort veröffentlichen mit Namensnennung und vollen Zitaten. Wenn der Minister sagt, das ist unter 2, dürfen Sie zwar indirekt zitieren, aber ohne Quellenangabe. Da lesen Sie dann: Wie aus gut unterrichteten Kreisen verlautet. Wenn ein Politiker sagt, dieses Gespräch lief unter 3, dann wissen Sie schon mal, das ist das wichtigste Gespräch überhaupt, aber unter 3 heißt, Sie dürfen daraus überhaupt nicht zitieren, weder direkt noch indirekt. Das ist die stärkste Waffe, die Politiker gegenüber Journalisten haben - die Vertraulichkeit. Wenn ich einen Journalisten ins Vertrauen ziehe, fühlt er sich geehrt und erfährt er eine Menge Dinge, die er sonst nicht erfahren würde, aber um den Preis, dass er darüber nicht berichten darf.
Dann gibt es auch ganz rigide Maßnahmen von Politikern gegen Journalisten. Wenn ein Journalist dem Bundeskanzler oder der Bundeskanzlerin negativ auffällt, dann wird er beim nächsten Staatsbesuch nicht in der Regierungsmaschine mitfliegen dürfen. Das ist innerhalb von Europa oder in die USA kein Problem, aber wenn ein Minister nach China fliegt, da kommen Sie allein nicht so schnell hinterher. Ich habe selbst mal auf einem Langstreckenflug mit einem Minister, dessen politisches Wirken ich äußerst kritisch betrachtete, sechs Stunden lang mit großem Vergnügen Skat gespielt. Ich habe festgestellt, dass er ein umgänglicher, netter, witziger, schlagfertiger Mensch ist, der außerdem noch hervorragend Skat spielt. Da hatte ich ein paar Tage hinterher sog. „Beiß-Hemmungen“, über ihn genauso kritisch zu berichten, wie ich das vorher gemacht hatte.