Hilfsprojekte in Honduras
Themengottesdienst am 22.02.2015

Pfarrerin Anna Quaas schaute sich vor Ort Projekte der Comisión de Acción Social Menonita an

Im Mai 2014 hat Pfarrerin Anna Quaas an einem „Trialog“ zwischen Pfarrerinnen und Pfarrern aus Honduras, den USA und Deutschland teilgenommen. Im Gottesdienst  erzählte sie von Land und Leuten in Honduras.

Während des Trialogs haben wir uns ausgetauscht über die gesellschaftliche und kirchliche Situation in den völlig unterschiedlichen Kontexten – und ganz besonders über die Bergpredigt: „Liebet Eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen, damit ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel“ (Matthäus 5,44) liest man darin. Das ist schwer bei uns in Deutschland und in den USA. Aber wir wurden ganz kleinlaut, als unsere Gesprächspartner aus Honduras von der Schwierigkeit berichteten, mit diesem Satz umzugehen, wenn Mitglieder aus der eigenen Gemeinde umgebracht werden und sie täglich um Leib und Leben fürchten müssen.

Honduras – manch einer weiß kaum, wo das liegt: Honduras ist flächenmäßig das zweitgrößte Land Zentralamerikas. Wenn, dann erfährt man von Honduras aus negativen Schlagzeilen: Das Land ist wegen seiner extrem hohen Kriminalität bekannt. Die Gewalt im Land geht zu einem großen Teil von ins Drogengeschäft verwickelten Jugendbanden (maras) aus. Wer etwa durch die Millionenstadt San Pedro Sula geht, wird in keinen Laden kommen, ohne vorher an mit Gewehr bewaffnetem Sicherheitspersonal vorbei zu müssen. Aufgrund der hohen Kriminalität (im Jahre 2013 lag die Mordrate bei über 80 pro 100.000 Einwohnern) meiden Ausländer das Land gerne. Und gerade das macht die Situation für die Menschen in Honduras noch schlimmer: Sie fühlen sich abgeschottet und vergessen. „An einem Abend kamen bewaffnete Männer in unser Haus. Sie hielten meiner Tochter eine Knarre an die Schläfe und nahmen alles mit, was sie konnten. Ich habe nur gebetet: Lass sie meiner Tochter nichts antun“, erzählte eine Pfarrerin. „Dann haben sie tatsächlich das Haus verlassen. Meine Tochter und ich haben gezittert vor Angst. Wir haben uns zusammen unter dem Tisch versteckt. Die Männer kamen wieder - wohl um meine Tochter mitzunehmen und ihr etwas anzutun. Sie durchsuchten das Haus, schlugen meinen Sohn mit dem Gewehrkolben, aber fanden uns Frauen nicht. Danach kamen sie nicht wieder.“ Die Familie fühlte sich nicht mehr sicher im Haus. Sie verließ alles, was sie sich dort aufgebaut hatte und zog fort in einen anderen Teil der Stadt. „Warum ich?“, erzählte die Pfarrerin, habe sie gebetet. Und irgendwann eine Antwort bekommen: „Damit du den Wert des Lebens und deiner Familie schätzt“. Und den Eindruck macht sie: Trotz allem strahlt sie Zuversicht und Lebensfreude aus. Sie sorgt für ihre Kinder, aber lässt ihnen auch Freiheit, weil sie darauf vertraut, dass Gott sie beschützt.

„Wenn alles andere ungewiss ist, ist der Glaube das einzige, was einem bleibt. Und es ist gut zu wissen, dass es überall auf der Welt Schwestern und Brüder gibt, die an uns denken und für uns beten.“ Solidarität von außen ist den Christen in Honduras extrem wichtig. Die Comisión de Acción Social Menonita (CASM) ist renommiert wegen ihrer sozialen und entwicklungspolitischen Arbeit in Honduras. Während meiner Reise dorthin konnte ich einige ihrer Projekte besuchen. Gegründet wurde die Comisión de Acción Social Menonita 1983 von der mennonitischen, honduranischen Kirche, um Menschen zu unterstützen, die Opfer der militärischen Konflikte in Zentralamerika geworden waren. Sie arbeitet entwicklungspolitisch und hat als Mitglied der
Act Alliance hohe, auch zertifizierte Qualitätsstandards. Seit Jahren besteht eine Kooperation u.a. mit Brot für die Welt, Misereor und der Kindernothilfe. Ihre Projekte sind vielfältig: Drei der über das ganze Land verteilten Projekte habe ich vor Ort kennengelernt Projekt mit ins Drogengeschäft verwickelten Jugendbanden (maras).

Die beiden Pfarrer José Fernandez und Melvin Fernandez und der Journalist Joel Cano engagieren sich etwa im Chamelecón, mitten auf einem Gebiet, wo zwei einander feindlich gesinnte Jugendbanden (maras) sich bekämpfen und von der Bevölkerung Schutzgelder erpressen. Wer notgedrungen dieses Schutzgeld an eine Gruppe zahlt, muss mit der Rache der anderen rechnen. Im Jahr 2014 zählten auch Gemeindeglieder zu den Mordopfern. Erst 2010 war durch die mennonitische Kirche im Chamelecón eine Schule aufgebaut worden, mit dem Ziel, Kindern und Jugendlichen des Stadtteils eine Perspektive zu vermitteln und sie so vor dem Eintritt in die maras zu bewahren. Die Schule befindet sich nun genau auf dem Grenzgebiet, auf dem sich zwei mara-Gruppen bekriegen. Die Gefahr, die Schule weiter zu besuchen, ist für die Kinder zu hoch: Sie musste daher Anfang 2014 geschlossen werden. Einige der Kinder werden nun mit Bussen in die nahe gelegene Stadt San Pedro Sula transportiert. Darüber hinaus will die mennonitische Kirche Radio-Unterricht einführen, damit die ans Haus gefesselten Kinder trotzdem Englisch lernen können.

Es kann lebensgefährlich sein, einzelne Kinder (Zielgruppe der maras sind im Moment Kinder zwischen 9 und 12 Jahren!) und Jugendliche aus den Fängen der Jugendbanden befreien zu wollen. Denn Abtrünnigkeit wird von den maras gnadenlos bestraft. Die mennonitische Kirche versucht deswegen mit ihnen zu arbeiten: Die Energie, die die maras haben, und die sich in destruktiver Weise äußert, will sie in positive Energie umwandeln. In einem anderen - ehemals von den maras unter Kontrolle gehaltenen - Gebiet ist es tatsächlich gelungen, einen öffentlichen Platz mit Hilfe der maras schön zu gestalten und nach und nach die Stimmung im Viertel so zu verändern, dass mittlerweile die Menschen dort relativ friedlich leben können.

Weiter habe ich ein Projekt an den bordos, den Flussufern von San Pedro Sula, besucht. Dort wohnen 1200 Familien in äußerster Armut an den Ufern eines kontaminierten Flusses. Die CASM kümmert sich, u. a. mit Unterstützung der Kindernothilfe, um die Kinder dort (Kindergarten, Nahrung) und vermittelt den Jugendlichen Ausbildung in verschiedenen Bereichen: z.B. als Elektrotechniker, als Friseur/Kosmetiker oder im Bereich Klimatisierung. Außerdem gibt es politische Arbeit, die vor allem darauf drängt, dass sich die Lebensverhältnisse ändern: Etwa wird die Kommune dazu aufgefordert, eine Brücke über den kontaminierten Fluss zu bauen, damit ihn die Kinder auf dem Weg zur Schule nicht mehr barfuß durchwaten müssen. Weiter wird auf eine staatlich subventionierte Umsiedlung an andere Orte in der Stadt gedrungen. Koordiniert wird die Arbeit an den bordos überwiegend von Frauen, die bisher ausschließlich ehrenamtlich arbeiten.

Ebenso fördert die CASM ein Kakao-Projekt in Choloma: Durch den Hurrican Mitch im Jahre 1998 wurden zahlreiche Kakaoplantagen zerstört, so dass der Kakaoanbau in Honduras nahezu zum Erliegen kam. Eine Kooperative von 120 Familien bildete sich, um die Jahrtausende alte Kakaotradition wiederzubeleben. Sie stellt mittlerweile erstklassigen Kakao her und ist gerade dabei, auf ökologischen Anbau umzustellen. Es besteht eine direkte Zusammenarbeit mit Chocolats Halba.
Texte und Fotos: Anna Quaas

Misereor hat ein Spendenkonto eingerichtet, über das Projekte der Comisión de Acción Social Menonita (CASM) in Honduras unmittelbar gefördert werden:
IBAN: DE75 3706 0193 0000 1010 10
BIC: GENODED1PAX
mit der Angabe: „Zweck W31018 CASM Honduras“
(Konto-Nr. 101010 bei der Pax-Bank eG, BLZ 37060193)

Pastor José Fernandez (links) lebt mit seiner Familie unter lebensgefährlichen Bedingungen im Chamelecón. Unterstützt wird er von seinem Kollegen Melvin Fernandez (rechts) und dem Journalisten Joel Cano (Mitte rechts). Pfarrerin Anna Quaas (Mitte links) hat sie besucht.

Die Mitglieder der Kakao-Kooperative bei einer Besprechung

An den Flussufern in San Pedro Sula leben Familien in äußerster Armut

Gottesdienst in der Reformierten Kirche von San Pedro Sula in Honduras

Teilnehmer*innen des "Trialogs" aus Honduras, Deutschland und den USA
(oben links Pfarrerin Anna Quaas)