Mensch und Raum
Nicht die große, um Aufmerksamkeit heischende architektonische Geste prägt diese Kirche, sondern es ist der einzelne Stein, der gleich den Gliedern der Gemeinschaft das Ganze erschafft. Die Steine geben sich gegenseitig Halt. Ihr Verbund ermöglicht Stabilität.
Auf der Suche nach uns selbst erleben wir einen Raum, der mit seiner Leere den notwendigen Freiraum lässt. Die Leere des Raumes wirft den Ruf des Suchenden auf ihn selbst zurück.
Klarheit in der Raumbildung, kein barockes Abbild eines imaginären Reiches Gottes, sondern das Wesentliche „sichtbar-machen“, so tritt die Architektur in einen Dialog mit den Menschen, der von großer Aktualität ist.
Die reduziert eingesetzten architektonischen Mittel geben den Menschen Raum. Der offene, klare Raum bietet Zuflucht, „hier darf ich ankommen“. Dabei bringt die Höhe des Raumes die Erdenschwere der Wände ins Gleichgewicht.
Darüber hinaus wird die Monumentalität der Wände durch die asymmetrische Anordnung der Öffnungen gebrochen. Diese Brüche sind es, die eine Nähe zum Menschen herstellen.
Der Erdverbundenheit der Wände und des Bodens werden die Buntheit der Fenster und das plastische Streiflicht im Altarraum als Kontrapunkte gegenüber gestellt.
So bekommt der Raum sein Gleichgewicht. Eine Harmonie stellt sich ein, wie sie nur von einem „von Gott beseelten“ Architekten geschaffen werden kann. Ein Raum, der mit den Menschen in Balance ist, Schutz und Verheißung zugleich. Die Gemeinde, die hier versammelt ist, ruht in sich selbst.
Licht wird wie ein kostbares Gut sparsam behandelt, so wird es zu einer Botschaft aus einer fernen Welt. Im Innern des Kirchraumes wird die Außenwelt nur noch spärlich angedeutet. Selbst das raumhohe Fenster an der Südostwand ist mit tiefen Betonlaibungen und antikem Glas so trennend gestaltet, dass die Erinnerung an das Atrium dahinter nur eine leise Ahnung bleibt. Ein schemenhafter Blick auf das Vergangene, den Hinweg, und das Zukünftige, den Rückweg. Der Lichteinfall aus dem Fenster zum Atrium umschmeichelt den Besucher selbst bei hartem Sonnenlicht sanft wie in einem Blätterwald. Doch es gibt auch eine Steigerung in der Lichtführung. Von der Dunkelheit am Eingang unter der Orgelempore hin zur Helligkeit des Altarraumes mit den raumhohen, seitlichen und ebenfalls blickdichten Lichtöffnungen.
Der Bogen der Altarwand unterstützt dabei den Eindruck der Befreiung.
Radikal fragmentarisch wirkt das fragile Gefüge aus Glassplittern des kleinen, quadratischen Fensters über der Kanzel. Die farbliche Grundstimmung ist kräftig, dunkelrot und purpur gemischt mit Meeresfarben von Türkis bis zu einem tiefen Blau. Die Meeresfarben blasser aufnehmend, aber um so größer in der Fläche ist das Fenster neben der Orgel, es bringt die asymmetrische Anordnung der Orgel und deren Farbigkeit an der rückseitigen Querwand der Kirche ins Gleichgewicht. Material und Wirkung Decke, Wände und Boden
erzeugen eine Körperlichkeit, deren Magnetismus innerhalb des Raumvolumens wie eine schützende Hülle „Heimat“ bietet.
Die innen sichtbaren, tönernen Dachziegel des Satteldachs und die im Innenraum erlebbare archaische Stärke der Mauerwände stehen für einen Raum, der beherbergen und schützen möchte. In den Außenwänden ragen einzelne aus dem Maß geformte Brandsteine heraus, wie Findlinge in einem mediterranen Bauernhaus. Schlichte Holztüren weisen den Weg. Die Stufen zu Orgel und Kanzel, frei aus dem Mauerwerk herauswachsende Platten, setzen im Innern dieses Thema fort.
Die hartgebrannten Handstrichziegel zeugen von dem Wiederaufbau nach dem Krieg, „Neues Schaffen“ mit einfachen, vorhandenen Mitteln. In der Fügung der Steine an den Laibungen der Fenster wird eine Detailsorgfalt sichtbar, die uns von einem liebenden Architekten erzählt. Über drei Stufen erhebt sich sanft der Altarraum wie ein Teppich aus Travertin, aus dem ein Altartisch in gleicher Materialität entwächst. Der Altar, Tisch und aus dem Boden gewachsener Fels zugleich, wirkt schwebend und schwer, ganz in sich ruhend. Seitlich des Altarraumes, eine Stufe unter dem Bodenniveau, markiert die wasserfarbene Mosaikoberfläche, aus der sich bauchhoch ein roher Travertinstein mit Taufschale erhebt, einen Ort, der die Erinnerung an plätscherndes
Wasser in sich trägt. Gleich Engelsflügeln schwebt der Prospekt der Orgel auf einem schmalen Sockel auf der Empore und bringt damit, die Bedeutung der Orgel unterstützend, das Transzendente ins Spiel.
Text: Architekt Volker Langenbach