„Ich bin 1932 in Dresden geboren, das im Februar 1945 im Feuersturm unterging. Danach war nichts mehr, wie es war. In meiner Kindheit war der Krieg deutlich zu spüren – besonders gegen Ende. Ob in Berlin oder in München oder wohin auch immer wir nach der Zerstörung von Dresden geflohen sind. Das Ende des Nationalsozialismus habe ich schon sehr bewusst miterlebt, etwa das fehlgeschlagene Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 und andere Versuche, das Grauen vorzeitig zu beenden. Später habe ich mir gesagt, irgendetwas muss jetzt geschehen, damit diese Zeit nie wieder kommt. Ich wollte unmittelbar etwas bewegen. Dann habe ich gesehen, wie in den ersten Jahren nach dem Krieg das Alte noch sehr stark war. Unsere Lehrer hatten auch in der Nazi-Zeit gelehrt. Es wurde nie über die Vergangenheit gesprochen, über das, was da wirklich passiert war. Als ich mit Freunden einmal versuchte, in der Schule eine Gedenkstunde zum 20. Juli zu veranstalten, wurde es vom Lehrerkollegium abgelehnt. So was machen nur Vaterlandsverräter, hieß es. Das war 1947/48. Ich wusste, hier muss eine Menge geschehen, damit sich das nicht wiederholt, oder anders gesagt, damit diese neue Republik nicht in Gleichgültigkeit versinkt. Hier muss eine Demokratie aufgebaut werden.
Nach der Schule habe ich erst einmal Jura studiert und war auch ein Jahr lang als Anwalt tätig. Dann merkte ich, dass man eine aktive politische Tätigkeit nur sehr schwer mit einem Anwaltsbüro verbinden kann. Deshalb habe ich einen Job gesucht, der mir relative Freiheit lassen konnte. Das war der Arbeitgeberverband hier in Köln. Daneben konnte ich mich politisch betätigen. Ich war ein linker Liberaler und dennoch für die Arbeitgeber tätig. Das schloss sich damals nicht von vorneherein aus. Wir waren damals nicht auf dem Trip, den Kapitalismus abzuschaffen, wir wollten ihn reformieren. Die Präsidenten der BDA waren tolerant. Ich war ein bunter Vogel, und als ich dann 1972 ins Parlament kam, waren sie richtig stolz, dass einer von ihnen dort hineinkam.
Ich habe angefangen - wenn ich das so sagen darf - wie ein Besessener Politik zu machen. Ich hatte bald den Vorsitz bei etlichen liberalen Organisationen – vom Jugendverband bis zur Stadtratsfraktion. 1972 kam ich ins Parlament und wurde gleich Parlamentarischer Staatssekretär und dann Minister. Danach - von 1982 bis 1994 - war ich nur noch Abgeordneter im Bundestag.
Ich habe unendlich viel Lebenskraft in die Politik gesteckt und viel zu wenig in das Familienleben. So ist das. Wenn Sie erst einmal in der Politik sind, werden Sie von einem zum anderen gezogen. Ich hatte ja auch immer politische Ziele, wie z. B. die neue Ostpolitik oder den Umweltschutz. Vieles ist gelungen, aber es gab auf dem Wege dahin auch viele Niederlagen. Diese politisch hochaktive Lebensphase klang eigentlich erst Anfang der 90er Jahre ab. Irgendwann habe ich mich gefragt: Was machst du eigentlich noch im Bundestag? Meine Partei hatte sich von meinen politischen Zielen entfernt. Die Liberalität, die ich vertrat, war nicht mehr gefragt. Bis hin zu der Erfahrung, dass mir Leute auf der Straße sagten, sie würden zwar mich noch wählen, aber meine Partei nicht. Das war kein Zustand. Ich habe aufgehört und mir hinterher gesagt, dass es eigentlich zu spät war. Zu dem Zeitpunkt war ich Anfang 60 Jahre alt und habe angefangen, etwas anderes zu machen. Aber der Hauptinhalt meines Lebens war und ist die Politik - seit den 90-er Jahren bis heute vor allem auch die Menschenrechtspolitik.