Gerd Krebber
Anfang der 60er kam ihr Durchbruch als Fernsehjournalist.
Friedrich Nowottny
Der Saarländische Rundfunk suchte 1962 einen Wirtschaftsredakteur. Ich war bei meiner Bielefelder Zeitung Wirtschaftsredakteur, habe mich beim SR beworben und die haben mich nach zwei Vorstellungsgesprächen auch überraschenderweise genommen. Dort habe ich eine Sendung entwickelt und moderiert: „Der Markt - Wirtschaft für jedermann“. Die war so erfolgreich, dass sie in der ARD ausgestrahlt wurde. Innerhalb dieser Sendung gab es auch einen Börsenteil. Ich war der erste Mensch, der im deutschen Fernsehen eine Börsensendung gemacht hat. Das war vielleicht auch so ein Riesenerfolg, weil wir unmittelbar nach der Bundesliga-Berichterstattung gesendet wurden.
Gerd Krebber
1967 wechselten Sie dann zum WDR ins Studio Bonn. Wie kam es dazu?
Friedrich Nowottny
Die Frau des Bonner Studioleiters Müggenburg hatte meine Markt-Sendung gesehen und machte ihren Mann darauf aufmerksam: „Ihr sucht doch immer jemanden, der Mifrifi, mittelfristige Finanzplanung, erklären kann. Da ist einer, der kann das.“ Da rief mich Herr Müggenburg an und bat mich, bei ihm vorbei zu kommen. Er hat mich dann als stellvertretenden Studioleiter eingestellt.
Gerd Krebber
Ab 1973 waren Sie dann Chef.
Friedrich Nowottny
Ab 1973 Chef, ja.
Gerd Krebber
Sie haben tausend Mal den Bericht aus Bonn gemacht. Wie haben Sie sich immer verabschiedet?
Friedrich Nowottny
Meine Abmoderation lautete: „Bericht aus Bonn am nächsten Freitag, auf Wiedersehen, das Wetter.“ Ich wollte es kurz und bündig ohne einen klugen Spruch zur Verabschiedung machen. Die Deutsche Presse-Agentur hat das dann allerdings verhunzt. Die behaupten, es wäre: „Guten Abend. Das Wetter“ und da die DPA eine Macht für sich ist, die bleibenden Wert und bleibenden Einfluss auf alle Zeitungen hat, wird mir der falsche Spruch immer noch nachgesagt.
Gerd Krebber
Ja richtig, Mr. Wetter.
Friedrich Nowottny
Ich habe damals auch geunkt, dass ich mit dem Bericht aus Bonn aufhören müsse, bevor auf meinen Grabstein stehen würde: „Hier ruht ... Das Wetter.“
Gerd Krebber
Sie haben in diesen Jahren die Sendung aber geprägt.
Friedrich Nowottny
Ich musste mich immer um Dinge kümmern wie Bundeshaushalt, Krankenversicherung und Rentenversicherung. Meine Damen und Herren, glauben Sie mir, das war in den 18 Jahren, in denen ich in Bonn war und darüber berichtet habe, die Topthemen. Es ging von den 60er-Jahren bis weit in die 80er-Jahre um Krankenversicherung, um Rentenversicherung und zwischendurch immer wieder um Arbeitslosenversicherung. Es ging um Inflation, Staatsschulden, um die Themen, die uns heute auch umtreiben und auf dem Magen liegen. Ich war immer dazu verdonnert, die komplizierten Sachen zu machen. Warum? Weil eben die Kollegen gesagt haben, für Mifrifi ist der Chef zuständig, der ich inzwischen geworden war. Ich habe mich nie ganz davor drücken können.
Gerd Krebber
Edmund Stoiber hat mal von Ihnen gesagt: "Nowottny ist eine eigene Partei". Das finde ich sehr bemerkenswert.
Friedrich Nowottny
Politik und Journalisten, Herr Krebber, das ist ja das Stichwort, das Sie ansprechen, waren schon immer eine tolle Sache. Natürlich versucht die Politik auf Journalisten Einfluss zu nehmen, gleichgültig ob bei Zeitungen, beim Radio oder beim Fernsehen. Da gibt es diese berühmten Listen der „Nahesteher“. Wer steht wem nahe? Die Hanns-Seidel-Stiftung, das ist die Stiftung der CSU, hat einmal eine Untersuchung gemacht, welcher Journalist welcher Partei nahe steht. Darauf standen natürlich auch die Kommentatoren der ARD. Ich war in Bonn ein herausragender Kommentator, was die Stückzahl angeht, vielleicht auch, was die Texte angeht. Da haben die also aufgelistet: Dieter Gütt war SPD-nah, der sowieso war CDU-nah, und dann kam Friedrich Nowottny, der – hat dann die Seidel-Stiftung festgestellt – ist Nowottny-nah. Ich muss sagen, so falsch war das nicht. Ich habe immer mir nahegestanden, mit aller kritischen Distanz mit Blick auf mich selbst.
Gerd Krebber
Ich bin seit fast 25 Jahren freier Mitarbeiter des WDR und habe Friedrich Nowottny persönlich kennen gelernt, als er zwei Amtszeiten lang Intendant war. Im Jahr 1994 feierten wir die ersten zehn Jahre des Regionalprogramms „Fenster Köln“. Da habe ich mir überlegt, wie ich die Zuschauer*innen einbinden kann. Ich habe mir eine Couch geholt, eine Stehlampe dazu, einen Fernseher, habe das am Severinstor aufgebaut und dann Zuschauer*innen auf die Couch gebeten. Ich habe sie interviewt oder sie erzählen lassen, wie ihnen das Programm bisher gefallen hat. Sie haben das damals gesehen und gesagt: „Herr Krebber, das ist doch ein klasse Format, machen Sie das doch weiter.“ So ist die Serie „Die Couch“ entstanden, die ich über zwei, drei Jahre gemacht habe. Das war für mich ein schönes Erlebnis, weil mein Intendant mich gelobt hatte. Wo findet man das noch?
Friedrich Nowottny
Es hat Ihnen nicht geschadet.
Gerd Krebber
Nein.
Gerd Krebber
Sie haben übrigens das Fernsehballett des ehemaligen DDR-Fernsehens gerettet. Wie haben Sie das geschafft?
Friedrich Nowottny
Mithilfe der katholischen Kirche. Aber sie hat’s nicht gewusst, dass sie das Ballett rettet. Denn Kirche, evangelische oder katholische, und Ballett geht nicht. Aber wir haben einen Verlag, der der katholischen Kirche gehört hat, dazu überredet, dass er Geld beisteuert zur Sicherung der Existenz des Fernsehballetts.
Gerd Krebber
Ein Sponsoring durch einen katholischen Verlag für das Fernsehballett der DDR, meine Güte! Das ist eine großartige Sache. - Sind Sie eigentlich ein religiöser Mensch?
Friedrich Nowottny
Ich bin ein gläubiger Mensch. Ob man das mit „religiös“ gleichsetzen kann, weiß ich nicht. Da müssen wir vielleicht den Herrn Pastor befragen. Ich bin Katholik von Hause aus. In Oberschlesien war man Katholik, aber dann bin ich in dieses „Heidenland“ Ostwestfalen-Lippe gekommen. In meiner Familie sind außer mir alle evangelisch. Es funktioniert ganz gut. Ich bin seit über 50 Jahren evangelisch verheiratet. Ich habe eine Tapferkeitsmedaille verdient – oder meine Frau. Wahrscheinlich sie mehr als ich.
Gerd Krebber
Wie viel Einfluss hat die Kirche eigentlich innerhalb einer öffentlich-rechtlichen Anstalt wie dem WDR?
Friedrich Nowottny
Die Kirche hat eine besondere Rolle in den öffentlich-rechtlichen Anstalten. Sie hat ein Verkündigungsrecht. Wenn Sie morgens um kurz vor sieben den WDR 5 im Radio einschalten, hören Sie abwechselnd einen evangelischen und einen katholischen Pastor mit einer Morgenandacht.
Die Kirchen befinden sich in einer schwierigen Situation. Die Situation ist deshalb so schwierig, weil sich die Lebensumstände der Menschen verändern, weil sich diese Gesellschaft zutiefst verändert. Wenn ich überlege, was ich allein in meinem Leben an gesellschaftlichen Veränderungen, Einbrüchen, Erdbeben erlebt habe. Die Kirchen aber gibt es noch immer, sie stellen immer noch Existenzen dar und spielen ihre Rolle in der Gesellschaft. Da muss ich sagen: „Chapeau, Hut ab, vor denen, denen es gelingt, noch immer Menschen zu finden, die sich zu ihnen bekennen und in der Kirche Halt finden.“ Die Kirchen versuchen, auch über die Bibel hinaus, Orientierung zu geben. Das ist eigentlich eine starke Leistung. Denn in dieser Zeit, in der wir leben, ist so wenig Orientierung vorhanden, sei es Orientierung für das eigene Leben, aber auch für das Leben der gesellschaftlichen Gruppe, in der man sich befindet.
Gerd Krebber
Sie haben heute Morgen hier ein modernes Gottesdienstformat wie den Talkgottesdienst kennen gelernt. Wie spricht Sie so was an?
Friedrich Nowottny
Um ehrlich zu sein, bin ich positiv überrascht. Ich habe noch nie einen Tango in einer Kirche gehört, wie der, den wir vorhin gehört haben. Man war ja versucht, eine der jüngeren hübschen Damen ab 75 zum Tanzen aufzufordern. Ich finde das sehr eindrucksvoll und ich werde mir den Ablauf des Gottesdienstes zu Hause noch einmal genau vergegenwärtigen. Schon die Tatsache, dass es hier keine Gesangbücher gibt, die verteilt werden – ich habe jedenfalls keine gesehen –, ist anders, wenn ich das etwa mit der Lutherkirche in Bonn vergleiche. Zu der habe ich eine besondere Beziehung, weil meine älteste Tochter dort Prädikantin ist, das heißt, sie hält auch Gottesdienste –, und das ist verglichen mit dem, was ich heute hier erlebt habe, etwas anders.