Frage
Herr Mörtter, viele Menschen haben diesen Abend als Höhepunkt erlebt. Wie ging es Ihnen?
Hans Mörtter
Der Abend der Begegnungen war auch mein Highlight, weil es meine Idee und meine Konzeption war, die ich mit einem kleinen Team vorbereitet hatte. Als ich vor anderthalb Jahren der Projektleitung des Kirchentages vorschlug, einen so groß angelegten und spirituellen Abschluss zu machen, konnte sich das noch niemand so recht vorstellen. Irgendwann konnte ich die Projektleitung dann überzeugen, dass das eine spannende Geschichte ist und wir das auch umsetzen können. Ich habe den Markus Stockhausen gefragt, ob er das macht. Stockhausen ist ein spiritueller Musiker und hochprofessionell. Wichtig war mir auch Thomas Frerichs, der Kantor der Lutherkirche, für den Taizé-Bereich, weil er da ein einfühlsamer Experte ist. Das war wichtig für die Stimmigkeit des Ganzen. Thomas Frerichs hat das Taizé-Lied „Bless the Lord, My Soul“ angespielt und mit Piano und Stimme begleitet. Dieses Lied wurde zeitgleich auch auf allen Bühnen des Kirchentages angestimmt.
Frage
Wie haben Sie denn die große Anzahl von Musikern und Musikerinnen zusammengetrommelt?
Hans Mörtter
Das war im Vorfeld schon mit viel Aufregung verbunden. Wir wussten anfangs tatsächlich nicht, ob wir genug Posaunenbläser zusammen bekommen. Im November 2006 gab es eine Versammlung der Landesposaunenwarte. Die Landeskirchen haben einen Beauftragten für alle Chöre, die für die Kommunikation zuständig sind. Die habe ich dann beredet, dass sie mit dabei sind und dass sie dafür werben. Das war ein Mammutprojekt: Fast 1.600 Bläser.
Frage
Konnten Sie und Ihr Team das Projekt dann so realisieren, wie Sie es sich vorgestellt hatten?
Hans Mörtter
Diese Gänsehautstimmung und das Gefühl von Kraft und etwas Besonderem, das war einfach da. Genau so, wie wir uns das vorgestellt hatten, ist es dann auch passiert. Das macht mich natürlich sehr glücklich.
Frage
Warum galt der Abend der Begegnung schon länger als etwas Besonderes?
Hans Mörtter
Lange Zeit gab es einen solchen Abschluss des letzten Tages gar nicht. Da ließ man das einfach offen ausklingen. Auf den Bühnen wurde einfach nur der Segen gegeben. In Hannover gab es 2005 zum ersten Mal eine Gesamtveranstaltung. Es läuteten die Glocken der Stadt, am Flussufer war eine Versammlung mit dem Anzünden der Kerzen und Landesbischöfin Frau Käßmann hat den Segen gesprochen. Das ist der Grund, warum wir das noch mal gewaltig getoppt haben in Köln.
Frage
Wollten Sie da bewusst einen „draufsetzen“?
Hans Mörtter
Nein, ich wollte nur eine extreme Stimmigkeit haben. Wenn ich an irgendetwas beteiligt bin, dann will ich auch, dass man das Bestmögliche herausholt und umsetzt. Ich wollte der Masse der erwarteten Besucher:innen gerecht werden und auch der Bedeutung, die das für uns Protestant:innen im katholischen Rheinland hatte. Das hat funktioniert. Auch die, die am Anfang nicht so überzeugt waren, haben mir gesagt, dass sie zufrieden waren.
Frage
Hatte Markus Stockhausen am Anfang Zweifel?
Hans Mörtter
Nein, als ich das dem Markus Stockhausen erzählt habe, wusste der direkt, dass das geht. Wir haben uns dann über die Inhalte ausgetauscht, und das war einfach deckungsgleich. Der hat direkt begriffen, was das für eine Chance ist.
Frage
Das wäre ohne die Rückendeckung durch die Musiker:innen sicher nicht möglich gewesen.
Hans Mörtter
Genau. Diese Perfektion mit dem Thomas Frerichs, dem Markus Stockhausen und den vielen Musiker:innen musste stimmen. Klar. Aber auch für die Kirchentagsorganisation war das eine wahnsinnige technische Herausforderung. Da haben viele kräftig „malocht“. Markus Stockhausen hat sich viele Gedanken gemacht über die Kommunikation zu den einzelnen Chören. Das lief über Kopf-Handy mit den Dirigenten, die er an seiner Seite hatte. Auch seine Freundin unterstützte ihn, indem sie seine Kommandos anzeigte und gleich weitergab, damit alles auf die Sekunde passte.
Frage
Wie haben Sie den Abend erlebt?
Hans Mörtter
Ich selbst habe das gar nicht richtig mitgekriegt. Ich stand auf der RheinEnergie-Bühne am Roncalli-Platz, um das Taizé-Lied anzustimmen und den Abendsegen zu geben. Wolfgang Niedecken und andere Musiker waren vor mir dran und haben überzogen, weil die Menge so begeistert war. Trotzdem fand ich das total klasse.
Es hieß, dass ungefähr 40 % der Menschen auf dem Roncalli-Platz nichts mit dem Kirchentag zu tun hatten. Aber dann habe ich die Gesichter von denen gesehen. Die sind beim Singen von dem Taizé-Lied total mitgegangen. Das war ein schönes Erlebnis.
Kirchentag an der Lutherkirche
Frage
Was ist während des Kirchentages an der Lutherkirche gelaufen?
Hans Mörtter
An der Lutherkirche wurde alles präsentiert, was im Bereich der Evangelischen Kirche mit Tanz zu tun hat. Viele Leute bewegten sich hier unheimlich viel. Es gab auch meditativen und spirituellen Tanz. Was ich dann wiederum schön fand, war eine Art Abend der Begegnung am Freitag Abend. Da haben der Thomas Frerichs auf dem Klavier und ich mit Texten synchron improvisiert. Das kam sehr gut an. Die meisten Leute vom Kirchentag kennen so etwas nicht, waren aber begeistert.
Frage
Wie kam denn der Tango-Gottesdienst an?
Hans Mörtter
Es gibt in Deutschland drei Städte, in denen Tango-Gottesdienst gefeiert wird: Dortmund, Hannover und Köln. Dieser Tango-Gottesdienst wurde nach der Art gefeiert, wie das in Hannover üblich ist. Unser Tango-Paar André und Kathrin waren dabei. Die haben ein paar tolle Tango-Tänze hingelegt. Nachher haben sie mit den Leuten auch Tango geübt. Das war sehr lustig. Robina Steyer, unsere klassische Solo-Tänzerin hat ein Stück zum Thema "Würde des Menschen" beigetragen.
Frage
Sind sich die Tango-Gottesdienste der verschiedenen Städte ähnlich?
Hans Mörtter
Nein. Die sind alle sehr unterschiedlich. Es spielte ein sehr gutes Orchester vom Kirchentag. Wie in Hannover gab es dann bei uns fünf Statements von circa zwei Minuten. Dazwischen wurde dann immer wieder vorgetanzt. Im Vergleich zu unserem Tango-Gottesdienst war das ein völlig anderer Stil.
Frage
Was nehmen Sie noch mit als Erleben während des Kirchentages?
Hans Mörtter
Was ich dann noch als großes Erlebnis empfand, das war unsere Kunstinstallation von Rochus Aust. Das „Schwimmbad“ war unser Geschenk an den Kirchentag gewesen. Diese Kunstinstallation hat sich bis weit in die Innenstadt herumgesprochen. Viele Leute haben wohl an den unterschiedlichsten Orten erzählt, was hier für eine verrückte Installation ist. Das hat sie stark bewegt. Die Überschrift war ja „Liberté, Communauté“, Freiheit, Gemeinschaft. Im Schwimmbad fallen die Hüllen und damit erkennt man äußerlich nicht mehr, wer zu welcher Schicht gehört. So soll es in der Kirchengemeinde auch sein. Die Lichtinstallation war der Wahnsinn, das „fließende Wasser“ unter der Decke, die Geräusche mit Kinderstimmen im Schwimmbad, die Musik. Selbst die Nachbar:innen waren berührt, die sich sonst eher aufregen, wie laut es hier ist. Ich habe da schöne Emails bekommen.
Frage
Im Stil der vielen Podiumsrunden werden Sie jetzt noch um ein abschließendes Resümee gebeten.
Hans Mörtter
Was ich gut fand, dass viele Leute gemerkt haben, dass an protestantischer Kirche etwas dran ist. Da kam viel Gutes rüber, Überraschendes auch. Das Gelingen haben wir auch den vielen ehrenamtlichen Helfer:innen zu verdanken, die unermüdlich im Einsatz waren.
Das Interview führte Helga Fitzner im Sommer 2007