Hans Mörtter
Habt ihr keine Angst gehabt? In meiner Zeit in Kolumbien hatte ich zwischendurch Angst, als ich so ahnte, es könnte sein, dass ich ins Visier der Todesschwadronen geraten bin.
Axel Becker
Natürlich waren die Denunziation und öffentlichen Kampagnen gegen uns nicht ohne. Das lag nahe. Aber Angst war nicht das vorherrschende Gefühl. Unsere Kinder sind in die Schule gegangen und wir sahen gleichzeitig merkwürdige Autos vor unserem Haus parken, natürlich standen wir unter Beobachtung.
Hans Mörtter
Es sind auch Europäer*innen verschwunden und ermordet worden.
Axel Becker
Ja, natürlich. Aber in Chile standen wir schon etwas unter dem Schutz der Deutschen Botschaft. Pinochet wollte ein gutes Verhältnis zur deutschen Regierung, Franz-Josef Strauß und anderen deutschen Befürwortern haben. Das war das eine: das andere war die internationale Solidarität über den Ökumenischen Rat der Kirchen, über den Lutherischen Weltbund und auch über Amnesty International. So konnte ich von der Seite der Betroffenen aus erfahren, wie wichtig und hilfreich die Arbeit von Amnesty International ist. Hier in Deutschland unterschreibt man Listen, um die Arbeit von Amnesty International zu unterstützen. Uns hat das damals so viel Mut gemacht. Wir wussten, dass da jemand hinguckt. Was hier passiert, das hat auch in Deutschland Folgen. Es gab dann doch Gemeindeglieder in Santiago, die sagten:“ Das kann doch nicht wahr sein, dass wir hier die Augen zumachen, wir müssen das Evangelium lesen und leben.“ Die haben sich dann wirklich engagiert. Das zu dem Punkt Angst.
Hans Mörtter
Ich habe eine Predigt von Helmut Frenz vom 30. September 1973 gefunden, die er vor einer Gemeinde hielt, deren größter Teil sich über den Putsch der Militärjunta von Pinochet gefreut hat, wie du das anschaulich beschrieben hast: „Für viele von Ihnen scheint ein neuer Tag voller Sonnenschein anzubrechen. Doch muss ich Sie jetzt fragen: Wie können Sie sich so freuen, wenn gleichzeitig für Hunderttausende von Chilenen alle Zukunftschancen, die sie sich ersehnten, verloren gegangen sind? Ich fürchte, ihr macht euch jetzt wieder falsche Sorgen, Sorgen um euch selbst, Sorgen um den eigenen Fortschritt, Sorgen um das eigene Wohlergehen, Sorgen um die eigene Zukunft. Dabei könnt ihr dann gar keine Sorgen um andere haben. Seht ihr denn wirklich nicht, dass ihr euch eine Zukunft bauen wollt auf den Trümmern und Tränen, auf Kosten der Hoffnungen und Sehnsüchte der Arbeiter?“ Also mutig, toll!
Axel Becker
Solche Predigten, aber auch die Aktionen – ich sprach eben von den beiden Komitees, wo Frenz und wir auch als Pfarrer mit engagiert waren – führten in der Kirche zu einer solchen Spannung, dass wir auch innerkirchlich unter Druck gesetzt wurden. Das hat es doch schon mal gegeben, eine Diktatur, die die Kirche versucht, gleichzuschalten! Nicht mehr in der Kirche, sondern im Deutschen Club Manquehue in Santiago trafen sich Leute, die sagten: „Wir sind Lutheraner und wir wollen doch jetzt mal gucken, ob wir diesen Pastoren und diesem Bischof Helmut Frenz nicht das Handwerk legen. Wie machen wir das?“ Da war die erste Maßnahme, dass sie den Kirchenvorstand versuchten, unter Druck zu setzen: „Wenn ihr Helmut Frenz nicht verabschiedet, zahlen wir keine Beiträge mehr.“
Hans Mörtter
Das ist dort ein freiwilliges System.
Axel Becker
In einem solchen Land ist die Kirche wie ein Verein organisiert. Es gibt da keine Kirchensteuer. Der Vorsitzende weiß nicht mehr, was er machen kann und tritt zurück. Es rücken Leute nach, die sehr nah an Pinochet sind. Schließlich war 1974 die Frage, wie der Kirchenvorstand erneuert wird. Es gab aber in Chile keine Wahlen, ein solches totalitäres Regime lässt keine Wahlen zu, in keiner Organisation, auch nicht in der Kirche. So erlebten wir im September 1974 nach einer großen Zeitungskampagne, die den Rücktritt von Frenz in der Öffentlichkeit forderte, eine Gemeindeversammlung, wie ich sie noch nie erlebt habe. Vorher riefen im Gemeindebüro Leute an und sagten: „Wo ist denn die Erlöserkirche? Man hat uns gesagt, wir sollen da hinkommen.“ Hier in dem Gang da hinten standen Tische mit Listen, da saßen Leute, die sagten: „Wenn Sie heute hier mit stimmen wollen, müssen Sie sich als Gemeindeglieder einschreiben und eine Quote bezahlen.“ Das wurde gemacht. Die Kirche war brechend voll, die Leute, die da saßen, kannte ich mehrheitlich nicht aus dem Gottesdienst. Nun gut, ich war erst ein halbes Jahr Pfarrer da, aber ich saß da auf dem Bänkchen an der Seite, und vorne ein Offizier im Militärmantel vor dem Altar und führte diese Versammlung, in der die Liste schon ganz klar war, und im Handumdrehen per Akklamation saßen in meinem Kirchenvorstand Leute, die ich noch nie gesehen hatte. Die haben mir gesagt: „Herr Pfarrer, tun Sie mal die Bibel und die Jesusgeschichten weg, da begründen Sie alles mit – wir haben ein anderes Problem: Die Kirche ist jetzt von den roten Elementen und vom Marxismus zu reinigen, genau wie diese ganze Gesellschaft. Entweder, Sie machen mit und gehen mit Pinochet in diese Richtung oder wir lösen Ihren Arbeitsvertrag auf.“ Das führte schließlich dazu, dass ich im Januar 1975 praktisch als Pfarrer des Amts enthoben wurde. Sie haben gesagt, dass sie den Arbeitsvertrag auflösen, weil ich das Vertrauen des Vorstands nicht mehr hätte. Als ich beim nächsten Gottesdienst sagte: „Ich erkenne das überhaupt nicht an, ich komme in die Kirche und will den Gottesdienst halten“, da rief der Vorsitzende – noch während meines stillen Eingangsgebetes - schon: „Raus, Herr Becker, Sie haben hier keinen Gottesdienst zu halten! Wir holen die Polizei, die holt Sie hier raus!“ Es war eine solche Gewaltsituation in die Kirche eingebrochen, dass man das vielleicht mit Deutschland im Jahr 1933 vergleichen könnte. Ich glaube, die Erinnerung an solche Schlüsselerfahrungen von Kirche sind wichtig.
Hans Mörtter
Das heißt, für eine Klarheit sorgen, ein Einstehen und ein Sich-Nicht-Korrumpieren-Lassen, sondern geradlinig gucken: Worum geht es hier eigentlich und wo verraten wir unseren Glauben und unser Menschsein?
Axel Becker
Aber einfach war das nicht. Wenn jemand eine Position, z. B., bei Bayer in Chile innehatte und in einer Kirche gesehen wurde, in der Helmut Frenz oder ich predigten, wurde ihm am Montag mit Entlassung gedroht. Das ist existenziell. Da muss dir nicht jemand das Maschinengewehr auf die Brust setzen. Der Effekt war: Als wir 1975 eine neue Gemeinde gründeten, bestand der ganze Vorstand aus Frauen. Die Männer konnten sich das nicht leisten. Die Frauen haben dort in besonderer Weise widerstanden und Verantwortung übernommen, das war vorbildlich.
Hans Mörtter
Daraus ist aber doch eine starke parallele lutherisch Gemeinde in Santiago entstanden.
Axel Becker
Die Versöhnungsgemeinde haben wir im Juli 1975 gegründet. Am Anfang sagten viele: „Das wird überhaupt nichts. Der Druck ist zu groß. Es wird sich keiner trauen, bei dir in den Gottesdienst zu kommen, fahre du lieber nach Deutschland zurück.“ Andere haben uns vorgeworfen: „Ihr mischt euch ein in die Politik dieses Landes, wo ihr zu Gast seid.“ Das muss man ja unterschreiben, dass man das nicht macht, wenn man einen Arbeitsvertrag bekommt. Aber für mich gilt: „Die Menschenrechte sind universal.“ Die Menschenrechte gelten für mich in Deutschland wie in Chile, das hat gar nichts mit einer politischen Position zu tun, aber wo die Menschenwürde verletzt wird, da kann ich nicht wegsehen, und wenn ich was helfen kann – unter dem Schutz auch als Ausländer –, dann bin ich eigentlich verpflichtet, das zu tun und auch unter schwierigen Bedingungen in Chile zu bleiben. Wenn wir nämlich gegangen wären, die deutschen Pfarrer, wäre das auch eine Entmutigung für viele in Chile gewesen, die unter ganz schwierigen Bedingungen für die Menschenrechte und die Menschenwürde eingetreten sind. In diesem Abwägen haben wir nachher gesagt: Wir bleiben. Und wir sind geblieben bis 1981 und haben diese Arbeit weitergemacht. Helmut Frenz musste Ende 1975 das Land verlassen, er durfte nicht wieder einreisen. Er wurde als der Vaterlandsverräter par excellence bezeichnet und bekam erst Ende der 1990-er Jahre die Ehrenstaatsbürgerschaft von Chile. So ist das.
Hans Mörtter
Immerhin.
Axel Becker
Damals haben alle gesagt: „Ihr lügt! Hier wird nicht gefoltert! Ihr lügt! Helmut Frenz hält hier Vorträge in Köln, er geht nach Bonn, redet mit Willy Brandt, und es geht darum, dass ihr chilenisch Flüchtlinge in Deutschland aufnehmt!“ Wir hatten Lager, Klöster der katholischen Kirche, die voll mit Flüchtlingen waren, die wir außer Landes bringen mussten. Aber wir mussten Länder haben, die sie aufnehmen. Das war das Problem damals.
Hans Mörtter
Also wir haben ganz viele Chilen*innen hier in Köln aus der Zeit, und da gibt es gute Freunde. Das ist ein großer Reichtum für uns. Dietrich Bonhoeffer, hat 1934 im Kirchenkampf klar und deutlich gesagt: „Wer nicht für die Juden schreit, der darf nicht gregorianisch singen“. Es gibt Situationen, wo das Christsein eine ganz starke Kraft entwickelt und wieder zurückgeht in die Ursprünge und sich da behauptet, und da gibt es kein Wenn und kein Aber, da gibt es keine Kompromisse.
Axel Becker
Am Karfreitag 1974, also ein paar Monate nach dem Putsch, brauchten wir nur die Passionsgeschichte zu lesen. Die hatte eine solche aktuelle Bedeutung, dass die Leute sich herausgefordert gefühlt haben, wenn man die Qualen vorlas, denen Jesus ausgesetzt war. Da brauchten wir keine einzige Predigt zu halten. Für mich war das eine Erfahrung, die ich überhaupt nicht kannte, wie das biblische Wort so direkt in die Situation spricht. Du kannst natürlich auch die Augen zumachen und sagen: Wir sorgen für das Heil der Seele, so gibt es in Chile auch viele, meist pfingstkirchliche Gemeinden, die zum Teil Pinochet zugejubelt haben. Aber das war nicht unser Verständnis von christlichem Glauben Auch nicht in der fortschrittlichen katholischen Kirche noch bei vielen evangelischen Kirchen aus der Tradition, der Reformation.
Hans Mörtter
Es heißt, es gab in den 17 Jahren über 3000 Tote, Ermordete, Verschwundene, das sind so geschätzte Zahlen, über 27.000 Gefolterte, darunter, ich glaube, 13 Prozent Frauen.
Axel Becker
Also sicher nicht alle gefoltert, aber irgendwohin verschleppt.
Hans Mörtter
Die chilenischen Präsidentschaftskandidatinnen, Michelle Bachelet und Evelyn Matthei, sind interessanterweise beide Töchter von Generälen. Bachelets Vater war Allende-Anhänger, Matthei General unter Pinochet. Pinochet hat schon vor dem Putsch die Ansicht geäußert: "Die Demokratie muss gelegentlich in Blut gebadet werden.“
Ganz klar ist, dass US-Außenminister Henry Kissinger, der große politische Held unserer Welt, massivst involviert war in den Putsch. Kissinger hat schon 1970 sehr klar und weit gesehen, das ist ein Zitat von ihm: „Ich sehe nicht ein, weshalb wir zulassen sollen, dass ein Land marxistisch wird, nur weil die Bevölkerung unzurechnungsfähig ist.“ Das ist die Sicht der politisch Herrschenden, die etwas zu verlieren haben, auf die Menschen, auf die Wähler, auf die Demokratie. Aber wir gehen ja heute wählen, vielleicht passiert doch noch was in unserem Land.
Damals war es Bundeskanzler Willy Brandt, der protestierte. Es wurden Flüchtlinge aufgenommen, aber die DDR hat viel, viel mehr Flüchtlinge aufgenommen. Das ist genau wie heute auch wieder: Wir nehmen ein paar Syrer*innen auf, 5000, aber die anderen Länder, die nehmen die Hunderttausenden auf. Deutschland macht ein bisschen was mit, aber nicht wirklich, nur keine Anstrengung, damals war das also ähnlich. Und dann heißt es, also warum protestiert der Bundeskanzler Willy Brandt, den ich wirklich hoch schätze, der vieles geleistet hat, um den Kalten Krieg zu beenden, dass er mutig war, und auf der anderen Seite war er nicht mutig, denn ein lauwarmer Protest gefährdet ja nicht die Beziehungen zu einem Land wie Chile, mit vielen, vielen Rohstoffen, die Deutschland brauchte.
Es heißt, dass es weltweit kaum Protest gegen die Inhaftierten und Gefolterten im Stadion von Santiago de Chile gab. Politiker, auch CDU-Politiker, sind hingereist und fanden, dass die Unterbringung irgendwie geht, und es nur unangenehm bei Kälte wäre. Von den Folterkammern und den Leichen haben sie nichts gesagt. Wirtschaft über alles? Wie hast du das gesehen?
Axel Becker
Ja, so haben wir das auch empfunden, dass eben von den westlichen Demokratien nur wenige wirklich etwas getan haben. Die skandinavischen Länder, Schweden und so weiter, haben wenigstens ihre Botschaften für die Flüchtlinge und die Verfolgten geöffnet, die wir in Sicherheit bringen mussten. Das war aber in der deutschen Botschaft nicht möglich, in der amerikanischen schon gar nicht, und beim päpstlichen Nuntius auch ganz schwierig.
Hans Mörtter
Warum nicht in der deutschen?
Axel Becker
Erst nach ziemlich vielen Protesten, auch von Frenz, ist der eine oder andere in die deutsche Botschaft gelangt. Da müsste man mal im Auswärtigen Amt fragen, was damals die Position war.
Hans Mörtter
Ja, interessant, könnte spannend sein.
Axel Becker
Aber es ist richtig, was du sagst, dass die Geschäfte weitergehen mussten. Chile war wichtig für die deutsche Wirtschaft, und ich denke, dass das eine ganz große Rolle spielte. Als dann mit Pinochet die sogenannten Chicagoboys, Milton Friedman und die ganzen Vertreter eines ganz liberalistischen Kapitalismus ins Land geholt wurden, um endlich Schluss zu machen mit dieser sozialistischen Soße, da war natürlich Chile auf einmal ein wirtschaftlich besonders interessanter Partner, denn da wurde wirklich durchexerziert, was man machen kann, wenn man die Gewerkschaften stilllegt und wenn man die Möglichkeiten des Protestes auf null fährt mit Einschüchterung.
Hans Mörtter
Es war ein Experimentierfeld des modernen, gnadenlosen Kapitalismus, kann man sagen.
Axel Becker
Ja, ich denke, was wir heute haben, wurde damals angefangen. Ich bin vor zwei Jahren noch mal in Chile gewesen –, wenn man das heute sieht, diese wahnsinnig krassen Unterschiede zwischen einem wahnsinnig entwickelten Stadtbereich, „barrio alto“, und Firmen, die riesige Geschäfte machen, und der Verarmung und der Hoffnungslosigkeit großer Bevölkerungsteile. Diesen Effekt erleben wir überall, wo der Kapitalismus ungezügelt herrscht und dadurch die Schere zwischen arm und reich auseinandergeht. Davon sind wir auch betroffen und andere Länder in Europa. Das hat Pinochet damals dort eingeführt und so etabliert, dass auch nach 1989, als die Diktatur zu Ende war, im Grunde das System der Wirtschaft weitergegangen ist, auch unter den demokratisch gewählten Regierungen der Folgezeit.
Hans Mörtter
Die chilenische Verfassung ist immer noch die von Pinochet.
Axel Becker
So ist es. Da ist noch einiges zu tun. Aber es gibt auch Positives zu berichten. Als ich 2011 in Chile war, um dort einen Film für die Deutsche Welle zu drehen, mit dem Titel „Im Talar für Menschenrechte" habe ich gesehen, dass in Santiago ein großes „Museo de la Memoria“ gebaut wurde, ein Museum der Erinnerung. Da wird nichts verschwiegen, bis hin zu den Metallbetten, an die die Leute gefesselt wurden, wenn sie mit Strom gefoltert wurden. In diesem Museum sieht man die Fotos von allen, die gequält wurden. Es ist alles dort dokumentiert. Ich finde das ganz erstaunlich. Es ist unter Bachelet, der Präsidentin, die vor dem jetzigen Präsidenten regiert hat, mit vorangetrieben worden. Das ist eine kleine Hilfe, um eben diese ganzen Gräueltaten nicht dem Vergessen zu überlassen, sondern der Gerechtigkeit irgendwo auch zum Durchbruch zu helfen. Ich habe die Archive gesehen mit den Akten von ganz vielen betroffenen Personen, deren Fälle noch nicht juristisch aufgearbeitet sind. Die Akten sind also vorhanden, wichtige Voraussetzungen, um dem Recht und der Gerechtigkeit zum Durchbruch zu verhelfen. Das Militär hält da seit 1989 immer noch die Hand drüber. Sie wollen nicht, dass die juristische Verfolgung dann bis in ihre Kreise geht.
Hans Mörtter
Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einem Mitglied des Unterausschusses für Menschenrechte des Deutschen Bundestages. Ich habe ihn gefragt, warum die nichts machen. Mir ging es dabei aktuell um Kolumbien in den letzten Jahren. Kolumbien hat eine Demokratie, eine fantastische Verfassung, nur wer für sie eintritt, ist schnell tot. Juristen, Richter, Menschenrechtsleute, Kirchenleute, die katholische Kirche bezahlen dort einen hohen Menschenpreis, einen Märtyrerpreis. Kolumbien hat eine unglaublich hohe Todeszahl. Dieser Abgeordnete sagte mir, sie können nichts tun, weil das vor allem eine EU-Sache wäre. Die feige Ausrede war deutlich, weil Bayer Leverkusen, Siemens, Schering, große, führende, deutsche Wirtschaftsunternehmen massivst in diesen Ländern verdienen. Mit denen wollen die sich nicht anlegen. Das sind Arbeitsplätze. Wir sind ein Exportland, wir müssen exportieren. Diese Firmen werden nicht angetastet. Dann sind wir genau bei dem Thema. Also ich weiß, dass wir was machen können, aber es gibt kein Interesse daran, weil man sich dann anlegen und ehrlich werden müsste. Damit macht man sich nicht nur Freunde. Aber es würde sich was verändern. Wir hatten auch Rupert Neudeck hier zum Talkgottesdienst und dir ist aufgefallen, dass er gesagt hat: „Man muss die Feigheit überwinden.“ So, das ist ja genau dein Thema.
Axel Becker
Ja, das stimmt und das bezieht sich auf viele Dinge, wenn man eigentlich zur Handlung kommen muss. Wie setzt die Bundesregierung ihre Macht und ihre Möglichkeiten ein, um den Menschenrechten zum Durchbruch zu verhelfen? Das ist ein dauerndes Thema. Ich sage nur mal das Stichwort China. Trotzdem glaube ich: Unsere Aufgabe als Kirche, die wir für die Menschenrechte eintreten im Namen Jesu, ist es, auf diesen Konflikt immer wieder hinzuweisen und nicht nachzulassen und uns nicht abzufinden mit Antworten, die ausweichend sind. Das können wir tun. Ob wir die Probleme lösen, da bin ich auch sehr zurückhaltend, das maße ich mir ja auch nicht an, zu wissen.