Meine erste Predigt hier in Köln. Gerade bin ich frisch aus Brüssel hierher gezogen und habe das Umzugschaos mehr oder weniger bewältigt. Viele werden das kennen: Angekommen in der neuen Wohnung – alles durcheinander. Alles voller Kartons, man findet nichts wieder. Dann heißt es die Nerven bewahren, Stück für Stück neu sortieren, nach und nach alles aufbauen, bis wieder Ordnung im Chaos ist. Als Pause zwischen dem Kistenpacken war ich zwischendurch bei IKEA, um noch einige kleine Sachen zu besorgen. Da fiel mein Blick auf eine Werbetafel: „Mit Liebe entworfen, bis ins Detail durchdacht“ stand darauf.
„Mit Liebe entworfen, bis ins Detail durchdacht“ - ein guter Werbeslogan für eine Möbelkollektion. Denn darum geht es ja beim Sich-Neu-Einrichten: Alles möglichst praktisch gestalten und durchdenken - und das gleichzeitig liebevoll, so, dass man sich wohl fühlt. In eine neue Umgebung umziehen, das heißt, ein bisschen wieder bei null anfangen, sich neu einrichten, neu sortieren. Wie Ordnung in das Chaos kommt, wie man sein eigenes Leben neu justieren und sich auf dieser Welt einrichten kann, kann man auf den ersten Seiten der Bibel nachlesen. Denn auf der ersten Seiten der Bibel geht es nicht einfach platt um die Erschaffung der Welt in sieben Tagen, sondern es geht darum, was Gott mit unserem Leben und mit allem Leben zu tun hat.
Dort heißt es: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Da war die Erde tohuwabohu, Chaos und Wüste, und Finsternis war über der Tiefe. Und der Geist Gottes schwebte über den Wassern. Und Gott sprach: Es werde Licht und es wurde Licht. Und Gott sah das Licht, dass es gut war.“
Am Anfang also war Chaos und Wüste, und noch nichts Sinnvolles, so wie meine Wohnung nach dem Umzug oder so wie einem das Chaos des eigenen Lebens manchmal vorkommt. Aber – so kann man lesen – über diesem Chaos schwebt Gottes Geist. Gottes Geist schwebt über dem Unfertigen. Gottes Geist liegt als schützende Kraft über Neuanfängen, Gottes Geist sorgt dafür, dass Licht ins Lebenschaos kommt.Und - so heißt dann auch der dritte Satz der Bibel: „Und Gott sprach: Es werde Licht und es wurde Licht.“
Licht ist das erste, was Gott geschaffen hat. Und Licht meint mehr als nur Helligkeit: In dem Wort Licht schwingt mehr mit: Lebenslicht, heller Glanz, Licht, das ein strahlender Blick verbreitet, Glück. So sendet Gott manchmal Lichtstrahlen in unser Lebenschaos, einfach so, aus dem Nichts. Gott spricht: Es werde Licht und plötzlich wird Licht. Und Gott sieht, dass das Licht, das er geschickt hat, gut war, dass es ermutigt und aufbaut, neue Tatkraft schenkt.
Danach - so steht am Beginn der Bibel weiter - entstehen Meer und Land, Sonne, Mond und Sterne, Gras und Bäume, Samen und Früchte, Vögel, Walfische und kleine Fische, Würmer und Tiere - alle nach ihrer Art. Von allem heißt es „Gott sprach: Es werde – und es ward“, auf geheimnisvolle Weise, ohne dass man letztlich erklären kann, warum es so völlig unterschiedliche Tiere und Pflanzen gibt, so unglaublich viele Farben, so Faszinierendes wie Sonne, Wärme und Wind. Aber eins wissen wir: Gott wollte es so. Bäume, Vögel, Fische und Tiere – alle hat Gott nach ihrer Art geschaffen.
Dann scheint Gottes Schöpferwerk für einen Moment still zu stehen. Die Welt hält den Atem an. Das übliche Regelwerk setzt aus. Die Routine wird unterbrochen und es heißt: Dann sprach Gott: Lasst uns Menschen machen nach unserem Bild, uns ähnlich. - Gott sprach: Lasst uns Menschen machen: Es ist viel gerätselt worden, warum ausgerechnet dieser Satz im Plural steht und so abgehoben ist vom Rest der Erzählung. Besonders geistreich und nachdenkenswert dazu finde ich eine Auslegung, die aus der jüdischen Tradition stammt. Vor der Erschaffung des Menschen hätte es im Himmel eine größere Diskussion gegeben, eine Art Beratung zwischen Gott und seinem himmlischen Hofstaat, den Engeln, in etwa so: 1* Soll das jetzt tatsächlich noch weiter gehen? Bis jetzt war die Schöpfung gut: Meer, Tiere, Pflanzen. Aber nun noch so ein zwiespältiges Geschöpf wie der Mensch. Ist das gut? Einige Engel, so die Fantasie der Ausleger weiter, wären gegen die Erschaffung des Menschen gewesen und hätten argumentiert: „Mit den Menschen kommen Lügen und Unwahrhaftigkeit in die Welt. Kein anderes Wesen ist zu solchen Grausamkeiten fähig wie der Mensch.“ Andere Engel aber hätten gesagt: „Der Mensch ist wie kein anderes Wesen zur Liebe fähig. Kein anderes Geschöpf kann so gut wie der Mensch für Recht und Gerechtigkeit sorgen.“ Diese kontroverse Diskussion vor der Erschaffung des Menschen steht natürlich nicht in der Bibel. Aber es ist viel dran, denn beides erlebt man, wenn man mit Menschen zu tun hat: Negatives und Zerstörerisches ebenso wie unglaublich Liebevolles und Aufbauendes.